Nach der Demo gestern gabs heute eine Hundertschaft für knapp 50 Protestierer_innen. Trotz der Kälte eine gelungene Aktion. Dank an Musik und Suppenköche. Fotos von heute bei boeseraltermannberlin
Der Kiez ist aufgeschreckt. Paul Linke beschreibt das Verhältnis zur Häuserszene symptomatisch:
(…) Dem Bedürfnis, wenigstens ein Mindestmaß an Unzufriedenheit und Unangepasstheit zu zeigen, so dachte ich, der Langzeitstudent und sporadische Steuerzahler Ende zwanzig, könne man in Berlin am ehesten noch im nördlichen Friedrichshain nachgehen. Auf Demonstrationen gehen, die Basisarbeit erleben, vielleicht nicht unbedingt in der ersten Reihe, aber auch nicht weit dahinter. Als sich die Vormieter bei der Schlüsselübergabe über dreckige Bürgersteige und Hundescheiße beschwert hatten, über ein latentes Gefühl der Unsicherheit sprachen, hielt ich das für eine Flucht aus der Realität.
Gestern Abend haben wir Gerichtsvollzieher Wolfgang Damm, zuständig für die Räumung der Liebigstrasse 14 offiziell mitgeteilt, dass keine rechtswirksamen Räumungstitel gegen die Bewohner_innen der Liebig14 existieren. Die in den Räumungstiteln genannten Personen leben schon seit vielen Jahren nicht mehr im Haus. Tatsächlicher „Inhaber der Mietsache“ ist der Verein „Liebig14 e.V.“, der bereits seit Gründung des Projekts die Bewohner_innen vertritt.
Gemäß eines Urteil vom Bundesgerichtshofs (I ZB 39/08), müssen Räumungstitel gegen die tatsächlichen Bewohner_innen vorliegen. Eine Räumung am 2. Februar wäre somit rechtswidrig.
Unterdessen gehen Expansion-actions in ganz Berlin weiter…
Zum Konflikt um das Tacheles wurde 2009 die 40seitige Broschüre „Schwarzbuch Fundus“ herausgebracht, die wir euch hier als kostenlosen download (PDF) zur Verfügung stellen. Nach intensiven Rechercherchen gelang es hier Informationen nicht nur aus öffentlich zugänglichen Quellen zusammenzutragen, sondern vermag darüber hinaus in dieser konzentrierten Form einen tiefen Einblick in die dubiösen Praktiken der Immobilienfonds der Fundus Gruppe um den Bundesverdienstkreuzträger Anno August Jagdfeld zu liefern, dessen Name für eine Vielzahl von Großprojekten wie Hotel Adlon, Heiligendamm, aber auch als Eigentümer des Kunsthauses Tacheles steht. (mehr…)
Jetzt exklusiv im Infoladen Daneben die Sonderausgabe der Lotta zu „Wege des Gedenkens – Erinnerungsorte an den Nationalsozialismus in Nordrhein-Westfalen“ für schlappe 6 EUR.
Hier das Inhaltsverzeichnis dieser knapp 200 Seiten starken Buchs (mehr…)
Heute Morgen tagte der Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses. Neben dem üblichen parteitaktischen Gezänk zwischen der Regierungskoalition von SPD/LINKE und der Opposition aus Grüne/CDU/FDP wurde unter dem Tagesordnungspunkt „Besondere Vorkommnisse“ auch über die Liebig14 und die bevorstehende Räumung am 2. Februar gestritten. Die Grünen hatten Innensenator Körting und Polizeipräsident Glietsch im Vorfeld kritische Fragen gestellt.
Schon zu Beginn der Sitzung gegen 10 Uhr stellte Körting seine generelle Strategie gegenüber der Opposition klar: „Wir beteiligen uns nicht an rückwärts gerichteten Debatten. Man kann das gern anders sehen als wir, deshalb steht allen in dieser Stadt der Rechtsweg gegen Entscheidungen des Senats offen. Klagen gehören ja zur Berliner Tradition.“ Dieses Verhalten setzte sich bis zum TOP „Besondere Vorkommnisse“ fort, wo endlich Stimmung aufkam und rund eine Stunde über die Liebig14 gesprochen wurde. (mehr…)
„Der kommende Aufstand“ wurde als Audiobook eingesprochen. In den letzten Jahren ist in Frankreich eine Reihe von Texten entstanden, die das Genre des politischen Manifests neu beleben. Ohne Copyright und ohne namentliche Nennung einer Autorin sind dort Texte entstanden, die auf Interesse stoßen, die über das sprechen, was uns auf den Nägeln brennt. Die Audiofiles von „Der kommende Aufstand“ liegen bei freie-radios.net
Ein weiteres alternatives Hausprojekt in Berlin soll demnächst polizeilich geräumt werden. Befürchtet werden massive Ausschreitungen und breite Solidarisierungen über die Stadt hinaus. Eine Eskalation im Konflikt um steigende Mieten und Stadtumstrukturierung steht bevor. Erneuter Anlass die Hintergründe zu beleuchten, Verantwortliche zu benennen und der Wut das Unverständliche zu nehmen.
Der Fall Liebig14
Das Wohnprojekt Liebig14 in Friedrichshain wurde 1990 besetzt. 1992 wurde die Besetzung über Mietverträge mit der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain WBF legalisiert. Im Zuge der Privatisierung der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften Ende der 90iger Jahre wurde auch die Liebig14, wie tausende andere Häuser, an Investoren abgestoßen. Der Zuschlag ging 1999 an den TU-Ingenieur Suitbert Beulker, obgleich die Bewohner_innen auch ein Kaufangebot formuliert hatten. Schon damals war allen Beteiligten im Bezirk bewusst, dass Beulker sanieren und teurer neu vermieten wollte. Das war stadtpolitisch nach dem Krawall der 90iger durchaus gewünscht. Kurz nach dem Verkauf kamen dann auch die ersten Kündigungen, die 2009 die Räumungsbeschlüsse nach sich zogen. Im Detail ging es dabei immer um die kollektive Wohnstruktur, die für Vermieter und Gericht unakzeptabel war.
Die anstehende Räumung ist nicht die Folge eines privatrechtlichen Streits zwischen vermeintlichen Besetzer_innen und Eigentümern, sondern Ergebnis der vom Senat betriebenen Wohnungsprivatisierung, der Logik der Vermarktung von Wohnraum und des Kleingeistes, der vorschreibt wie Wohnraum zu nutzen sei. (mehr…)